Fresse halten und andere Kernkompetenzen

Eloquent ist es, wenn man zur richtigen Zeit die richtigen Worte findet.
Sympathisch ist es, wenn man zur richtigen Zeit die Fresse hält.

Es ist ein bisschen traurig, dass wir Verschwiegenheit als Kernkompetenz ansehen müssen. Verschwiegenheit im Sinne des obigen Zitats (einfach mal nichts sagen, auch wenn einem etwas einfällt) und auch im Sinne von „Geheimnisse für sich behalten“. Beides scheint schrecklich aus der Mode gekommen zu sein.

Eine wilde Zusammenstellung weiterer aussterbender Kernkompetenzen:

  • Etwas nicht zu tun, wenn es moralisch verwerflich ist
  • Etwas nicht zu tun, wenn es offensichtlich dumm ist
  • Kopfrechnen
  • sich eine eigene Meinung bilden
  • „Nein“ sagen
  • das zu tun, was man sagt, was man tun würde
  • die automatische Rechtschreibprüfung beherzigen
  • gute Taten Anderer wertschätzen
  • die eigenen Ideale vertreten
  • sich entschuldigen

 

Gerade gut genug

Ich hatte hier mal über die 80/20-Dissertation geschrieben und auch schon mit Leuten persönlich darüber gesprochen. Dabei bin ich zwangsläufig immer in eine Rechtfertigungshaltung gekommen, aus der ich begründen musste, dass meine Überlegungen korrekt sind. Tenor war damals: Das Arbeitsergebnis muss nur so gut sein, dass es den Zweck gerade so erfüllt. Alles darüber hinaus ist persönlich motivierter Perfektionismus und damit –zumindest für den Empfänger– in vielen Fällen Verschwendung („waste“ oder „muda“ im Toyota-Sinne).

Gunter Dück hat mal in der (sonst unsäglichen) Zeitschrift der Gesellschaft für Informatik kommentiert, dass diese „Gut genug“-Mentalität ein Problem sei, weil die Qualität dabei eigentlich doch zu stark sinkt. Er hatte es unter anderem auf irgendeine spezielle Käse-Zubereitung bezogen, die wohl durch Produktionseinsparungen (billigere Zutaten etc.) immer mehr an Geschmack verloren hätte.

Dass der Gunter da so skeptisch war, hatte mich etwas aus der Bahn geworfen. Die Bestätigung hatte ich doch schon so oft in der Praxis erlebt. Zuletzt nach der Ausarbeitung einer zehnseitigen (halbwegs) rechtskonformen Datenschutzerklärung für einem Forschungspartner, dem schließlich zwei Sätze in einer E-Mail als Legitimation reichten.

Später in einem Podcast-Interview ist er dann doch wieder auf der Seite „Good enough“: Die Europäer bauten nur High-End-Produkte, dabei sollten sie „good enough“-Produkte wie die Amerikaner entwickeln, um überhaupt mal was Innovatives auf den Markt zu bringen.

Da freute mich besonders die heutige Recherche, bei der ich auf eine schöne Grafik von Scott Ambler gestoßen bin:

barelyGoodEnough

Das ist wohl so ziemlich das, was ich mit meinem damaligen Beitrag ausdrücken wollte: Nach dem Optimum (Scheitelpunkt) sinkt der Wert (value), weil der Aufwand (effort) weiter zunimmt. Der kritische Volkswirt würde jetzt vielleicht noch abnehmende Erträge ins Spiel bringen und sagen: „Nanana, der Wert steigt ja noch weiter, nur eben immer weniger.“ Aber der Punkt ist ja nicht, dass es nicht besser werden kann, sondern dass das „Mehr“ für den Empfänger nicht wirklich mehr bringt. Und dann vielleicht auch nicht für einen selbst.

Es ist aber tatsächlich entscheidend, für wen man etwas anfertigt und wie dessen Bedarf aussieht. Daher sollte man unbedingt die Erwartungen des Empfängers abfragen. Oftmals verbessert man Sachen, die keinen echten Mehrwert bringen. In der Software-Entwicklung nennt man das gold-plating. Im Deutschen würde man vielleicht „Verchromung“ sagen. In jedem Fall bleibt es Zeitverschwendung.

Das führt dann auch (noch einmal) zu meinem agilen Lieblingsprinzip:

Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell.

Wir sind satt! – Informationelle Sättigung und Aufmerksamkeit als Währung unserer Zeit

„Die Leute sind satt.“
Zwei Mal habe ich diesen Satz jetzt schon gehört.

Einmal nachts um zwei bei einem Bier mit einigen Herren in einer zum Club ausgebauten Scheune. Es ging darum, dass die Leute lieber dünne Mädchen weinen sehen als Live-Musik zu hören und miteinander zu reden.

Das andere Mal heute am Telefon mit einem Referenten eines von mir organisierten Seminars. Tenor: Alle Vereine, Organisationen und Unternehmen wollen ihre Ideen unter die Leute bringen, aber es kommen immer weniger zu den Workshops, weniger zu den Community-Treffen, weniger sogar zu kostenlosen Webinaren. (Und man kann in Trainingshose an Webinaren teilnehmen!)

Wir sind satt! Und wir ertrinken in Informationen. Überfüttert mit Nachrichten und Unterhaltungsangeboten aus WhatsApp-Gruppen, Newslettern, thematisch geordneten Nachrichtensammelmaschinen und Aktivitätsströmen. Das Strömen ist dabei schon eine gute Metapher. Man kann eintauchen oder es einfach nur an sich vorbeifließen lassen.

Rumheulen hilft nicht. Also spiel‘ ich mal mit. Die Gurus sagen, ich soll eine Plattform schaffen, damit meine Botschaft rüberkommt. Aber jeder hat (irgend)eine Botschaft und je mehr Botschaften, desto weniger Zeit bleibt für jede einzelne, weil der Hunger nach neuen Informationen und unsere Zeit hier auf Erden begrenzt sind.

Was? Roger Willemsen ist tot? Kommentieren? Liken? Nachruf im Blog? – Keine Zeit, muss scrollen. Und wer ist dieser Dr. Lima, von dem immer so viel geteilt wird? – Na? Schon wieder ein Tab mehr im Browser offen? – Es ist zum Mäusemelken!

Jedes Mal überlegen wir, ob wir unsere Zeit in die Waagschale werfen und wir bewerten genau, wer unsere Aufmerksamkeit verdient. Denn Aufmerksamkeit ist die Währung unserer Zeit. – Ob da Studierende an der Uni ihre Dozenten mit Aufmerksamkeit „belohnen“, oder ob es die Serienjunkies sind oder Computerspieler, die ein Spiel zwar kaufen, aber dann im Schnitt nicht mal über eine Stunde Spielzeit kommen. Es ist egal. Das Grundmuster ist der information overload, die Informationsüberflutung, die uns in die Passivität treibt. Das schreibt zumindest Richard Sennett in „Die Kultur des neuen Kapitalismus“ auf Seite 136. Das hab‘ ich aber nicht gelesen. Das hab ich aus dem Quellennachweis der Wikipedia. Quod erat demonstrandum.

Kein Kopf. Keine Demut. Kein Lernen. Lustig und ansprechend und informativ rübergebracht sollen die Infos sein, aber bitte kein allzu großer Konzern, denn da ist das ja alles Masche und Kommerz und die haben ja auch Social-Media-Budget. Für ein Individuum ist es recht aufwändig, Botschaften effektiv zu platzieren.

Ich sehe als einzigen Ausweg in Richtung „weniger ist mehr“ die persönliche Ansprache von Kunden. Los geht’s:

Hallo Mama, Papa, Katja, Franzi, Theresa, Markus, Lenny, Max, Sophia, Julia, Martin, mindestens einer von den Depolds, vielleicht Pauline und natürlich alle Stefanies in den verschiedenen Schreibweisen! Liebe Grüße an euch alle und danke für die Teilnahme an meinen Gedanken. Sorry für den ganzen Patros, äh. Pathos. – Ist eh alles nur Käse.

Und nicht vergessen: Abschalten! – Sonst reißt euch die Strömung mit und ihr seid satt vor dem Hauptgericht.

Ich war beim letzten Motörhead-Konzert und alles, was ich bekam, war dieser Blog-Eintrag

Eintrittskarte zum allerletzten Motorhead-Konzert
Die Eintrittskarte zum allerletzten Motörhead-Konzert

Abend des 10. Dezembers

Weihnachtsfeier Nummer vier von (gefühlt) neun. Ende kurz nach Mitternacht. Anschlussveranstaltung mit Tanz. Bis ungefähr vier Uhr. Das gab’s lange nicht und ist auch nur ohne Kinder möglich (was ebenfalls sehr selten passiert). Fazit: Guuute Party! Schlafen.

Morgen des 11. Dezembers 2015, gegen 11 Uhr

Anruf eines Kommilitonen aus dem Bachelor-Studium: „Wir haben eine Motörhead-Karte übrig, hast du Lust?“
„Öhm… aber… wann…wo…?“
„In acht Stunden in der Max-Schmeling-Halle.“
„Oh! Ähm… ich check kurz meine Termine und ruf zurück.“

Kalender auf. Was steht heute an? Natürlich: Eine Weihnachtsfeier! Dieses Mal vom Doktorvater, der alljährlich seine Doktoranden, Dozenten und IT-Rentner versammelt. Praktischerweise einige Stunden vor dem Konzert und auch noch in Berlin. – WIN!

Also los. Reiseplanung und Grundversorgung mit den nötigsten Nährstoffen:

Zwei Döner und ne Vanillemilch - Oder wie man es in Brandenburg nennt: "Mittagsmenü 1"
Zwei Döner und ne Vanillemilch – Oder wie man es in Brandenburg nennt: „Mittagsmenü 1“

Anreise mit Bus/Bahn/Fuß/Blabla zur Weihnachtsfeier. Einen verbindlichen Kontakt geknüpft, der offenbar zur Validierung eines Modells aus der Diss behilflich sein kann und auch noch Interview-Partner bereitstellt. (Haken hinter „Eine gute Tat für die Diss am Tag“.)

„Wo gehst du hin? – Motörhead? Mit solcher Musik kann ich nichts anfangen!“, sagt er etwas pikiert.
„Ich höre recht breit.“, sage ich noch, aber es wirkt wohl nicht so glaubwürdig.

Dann Abholung durch besagten Kommilitonen und auf zum Konzert.

Nach dem Konzert das einhellige Fazit: „Gut, dass wir ihn nochmal gesehen haben, den Lemmy.“ Meine Mitstreiter sagen sich das offenbar schon die letzten drei Jahre immer wieder. Ich bin live vor ein paar Jahren bei Rock am Ring dabei gewesen und freue mich nach dem Genuss einiger Alben heute umso mehr. Damals stand ich neben dem Technikturm mehrere hundert Meter von der Bühne entfernt und es war verdammt laut. Dieses Mal war es einige Meter vor der Bühne und es war sehr angenehm… wenn man kein Problem mit fremdem Schweiß hat.

28. Dezember 2015, gegen 7:30 Uhr

Im Radio kommt die Meldung über Lemmys Tod nach der nur zwei Tage zurückliegenden Krebsdiagnose und seinem 70. Geburtstag am 24.12.2015. Die Instant-Messaging-Gesprächsrunde überschlägt sich förmlich mit Toasts und der Frage: Was wäre, wenn er dort von der Bühne gekippt wäre? Und natürlich: War es das letzte Konzert von Motörhead? Und die Antwort lautet: Ja.

Ernsthaft? Das letzte Konzert? Allerdings!
Setlist vom letzten Motörhead-Konzert:

Setlist vom letzten Motörhead-Konzert (s. Anmerkung unten)

Und der Preis für die „Beste Ergriffene Gelegenheit 2015“ geht aaaaaan: Mich!

Einen Lemmy, bitte!

Und nun bitte noch die Petition unterschreiben, auf dass ein Glas Whiskey-Cola ab heute weltweit nur noch als „ein Lemmy“ bezeichnet werden möge. Auf Lemmy!

 

P.s. Im Beitrag versteckt sich ein Logik-Fehler. Wer ihn findet, darf ihn posten oder einfach behalten.

Eine Verquickung unglücklicher Tatsachen (#FailCompilation)

„Eine Odyssee ist lustig, eine Odyssee ist schön, denn da kann sein Flugzeug viel zu früh wegfliegen sehn‘.“

Ich schreibe das hier auf dem Weg zum Flughafen. Morgen Konferenz in Köln. Der Aufbruch war etwas überstürzt. Der Vormittag war für eine Beitragseinreichung bei einem ominösen aber potenziell lukrativen Wettbewerb draufgegangen, die Kofferfüllung wurde hastig zusammengestellt, dann noch ein kurzer Abstecher an die Hochschule, um Erstsemestern bei den ersten Schritten wissenschaftlichen Arbeitens zu helfen und beim Losgehen sprach Franzi am Telefon noch mit ihrem Betreuer über die Master-Thesis, die nun auch endlich in den letzten Zügen liegt. Wo ist denn die EC-Karte? Mist, irgendwie verloren. Kurze Panik aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und dann einfach mit den 17,50 Euro Bargeld und einer Kreditkarte los, die sich noch zwischen alten Bahntickets und Quittungen im Portemonnaie versteckt hatten. Damit wird es schon gehen. Sind ja nur zwei Tage und alles ist schon gebucht und bezahlt.

Apropos letzte Züge: Züge sind ja ohnehin so eine Sache. Mal kommen sie pünktlich, mal weniger und manchmal gar nicht. Bisher hat alles gut geklappt und ich muss im Flieger oder am Abend in Köln nur noch meine Präsentation vorbereiten, die praktischerweise erst am zweiten Konferenztag eingeplant ist. Ein Streik ist frühestens für den Rückflug angedroht, was mich aber relativ unbeeindruckt lässt, weil die Konferenz ja dann wenigstens schon durch ist.

Ich nehme die mittlerweile wohlbekannte Strecke: Regionalbahn 1 bis Charlottenburg und dann den 109er Bus zum Flughafen Tegel. Aber Moment mal… – Tegel? Plötzlich kommt mir ein schrecklicher Verdacht: Hatte ich wirklich Tegel gewählt oder doch wegen der besseren Abflugzeit auf Schönefeld gesetzt? Siedend heiß fällt es mir ein: Schönefeld! – Beschämt und noch etwas paralysiert von meiner (ungewöhnlichen) Planlosigkeit gehe ich kurz die Optionen durch: 1) Von hier mit dem Taxi zum Flughafen: Dafür reicht die Kohle nicht. 2) Noch ein Stück mit der S-Bahn weiter und dann mit dem Taxi: Auch dafür reicht wahrscheinlich die Kohle nicht, weil immer noch eine halbe Stunde Fahrzeit und ebenso ungewisse Ankunft. 3) Weiterfahrt mit einer S-Bahn und Daumen drücken: Wenigstens schon bezahlt, Ankunft am Flughafen aber zur Abflugzeit um 18:15 Uhr, also definitiv zu spät. Aber jetzt aufzugeben ist total bescheuert, also los!

Irgendwann bimmelt das Telefon. Eine SMS? Von Germanwings?

„Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass sich Ihr Flug 4U43 am 04.11.2015 auf 18:30 verspätet. Check-in-Zeiten unverändert. Weitere Informationen: http://…“

YEEEES! Das breite Grinsen quer übers Gesicht lässt sich einfach nicht mehr aufhalten. Jetzt noch schnell mobil einchecken und es ist wieder alles möglich: Zimmerbuchung, Abendveranstaltung und der ganze erste Konferenztag.

Ok, konzentrieren: Ringbahn rechtsherum, dann mit der S45 um 17:50 Uhr zum Flughafen starten und alles ist schick! – Aber was ist das denn jetzt? Defekt am Fahrzeug? Zug fällt aus? Och nööö! Wieder Alternativen checken. Wieder keine Kohle. Neue Verbindung: Neukölln (Hallo Markus!) und dann mit dem Bus zum Flughafen. Zehn Minuten verloren. Mist.

Der Mann hinterm Schalter schüttelt nur noch den Kopf. Trotz Verspätung des Fliegers keine Chance noch reinzukommen. Die Anzeigetafel bekräftigt die traurige Wahrheit: Boarding completed.

FUCKsgerät!

Ich stehe noch einige Minuten verdattert rum und weiß nicht vor und nicht zurück. Nachtzug nach Köln? Mmpf. Mein Antrieb ist im Keller. Ich wandere noch ein wenig ratlos hin und her als ob ich noch auf irgendeine geniale Lösung kommen würde. Tu ich aber nicht.

Dann beginnt der Rückweg zur S-Bahn-Station. Wieder schleicht sich ein Grinsen quer über mein Gesicht. Es sieht aber ein bisschen anders aus als das erste. Ich beschließe, die 10,20 Euro für die Fahrkarten und die Folgekosten für die morgige Zugfahrt (50 Euro) als Lehrgeld zu verbuchen und mich dafür heute Abend richtig schön volllaufen zu lassen auf den morgigen Tag vorzubereiten. – Mit Reiseplanung, Präsentation und alles.

Die Rückfahrt im Kurzprotokoll:
19:35 Uhr: Signalstörung, Weiterfahrt verzögert sich etwas. (8 Minuten)
20:04 Uhr: Der Zug hat die 8 Minuten tatsächlich aufgeholt und kommt pünktlich in Golm an. – Und wartet dort dann offenbar auf den Sankt Nimmerleinstag.
20:10 Uhr: Abfahrt aus Golm. Ohne Sankt und zu spät.
20:13 Uhr: Bummel- und Anschlusszug fahren gleichzeitig in den Umsteigebahnhof ein.
20:13 Uhr: Mit leichter Atemnot komme ich am Gleis an und die Türe lässt sich auch noch öffnen. Das hat schon öfters nicht geklappt.
20:36 Uhr: Ankunft in Brandenburg.

Schaffenszeit

Ich bin gerade aus der Schweiz zurückgekommen und habe mehrere wichtige Erkenntnisse mitgebracht.

Erkenntnis #1: Mit „Erlebnishotel“ müssen nicht zwangsläufig positive Erlebnisse gemeint sein.

Ich weiß gar nicht, was an dem Hotel schlimmer war. – Service, Zimmer oder Frühstück.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:
Hotel mit Gefängnis-Charme (hier ohne Charme).

Erkenntnis #2: Mehr Zeit nehmen.

Ich habe die Reise kurz halten wollen, um nicht mit meinem Arbeitgeber über 100€ hin oder her für den zusätzlichen Aufenthalt diskutieren zu müssen. Und so bin ich Sonntag Nachmittag in den Flieger gestiegen und war (nach einem etwas hastigen Aufbruch nach dem letzten Vortrag) Montag Abend schon wieder zu Hause während die anderen Teilnehmer eine Bootstour über den bezaubernden mit bergklarem Wasser gefüllten Vierwaldstätter See genossen. Obwohl das Get-Together am Sonntagabend und der wissenschaftliche Teil der Konferenz am Montag sehr interessant waren, wäre das bestimmt eine gute Möglichkeit zur Entschleunigung, Reflektion und Vertiefung gewesen. Ergo: Beim nächsten Mal wieder mehr Zeit nehmen.

Blick auf das Ufer vom Vierwaldstätter See in Luzern, Schweiz

Erkenntnis #3: Die Schweiz hat signifikant höhere Lebenshaltungskosten im Vergleich zu – beispielsweise – den neuen Bundesländern. (Lies: Die Schweiz ist scheiße teuer!)

Flughafen Zürich –> Luzern: 26 Euro für’s Zugticket (gegen 6 Euro für ähnliche Strecke und Fahrzeit Flughafen Tegel –> Brandenburg). Klar, Hotels kosten halt Geld und auch für ein gutes Essen gebe ich gerne etwas mehr aus. Aber wenn dann auf der Weinkarte bei den Preisen schon keine Kommastellen mehr angegeben werden, ist eigentlich alles klar.

Ein Flammkuchen to go? – 15 Euro. „Why not?“, könnte man jetzt einfach sagen und für das Kurzurlaub-Erlebnis in die Tasche greifen. Oder man denkt darüber nach, wie viel Mehl, Schmand, Schinkenspeck und Zwiebeln man dafür kaufen könnte (Antwort: Genug für sechs große Flammkuchen.) und lässt es einfach mal sein.

Trotzdem auf dem Rückweg Schweizer Schokoladenspezialitäten mitgenommen, weil die Kollegen im Büro deren überlegene Qualität beteuerten. – Und offenbar Recht behalten.

Erkenntnis #4: Es ist an der Zeit, etwas zu schaffen.

Auf der Konferenz zwei Vorträge gehalten. Einen mit dem Disputationsmaterial von einem fertig gewordenen Mitstreiter (Glückwunsch dazu!) und einen eigenen, von dem ich dachte, er wäre ganz gut. – Wie man sich täuschen kann. Und das lag nicht am Warmreden (erst mein Thema, dann sein Thema) oder der Menge der Zuhörer (erst fast leer, dann vollbesetzt), sondern am mangelnden Mut, ein eigenes „Ding“ zu entwickeln und vorzustellen. Das ist nun aber mal die Aufgabe dieses kleinen Promotionsprojekts hier. Und mein erster Vortrag war nicht schlecht. Er war ziemlich gut recherchiert und hatte dadurch super Argumente. Es fehlte nur eben etwas. Die Lösung. Das Konzept. Die Methode. Das Modell. – Irgendeine Idee, die das alles zu einem sinnvollen Ganzen verbindet, schlüssig erklärbar und praktisch umsetzbar ist.

Update: Vollbesetzt war der zweite Vortrag, weil die anderen beiden Sessions leer waren und es der letzte Vortrag vor der Bootstour war. Also ist der Unterschied nicht ganz so krass. Fazit bleibt aber dasselbe.

Daher ist die persönlich wichtigste Erkenntnis, dass es langsam an der Zeit ist, etwas zu schaffen und es auf den Prüfstand zu stellen. Es endet: die Lese- und Rechtfertigungszeit. Es beginnt: die Schaffenszeit.

BAföG-Rückzahlung: Knapp daneben ist auch vorbei

Leistungsabhängiger Teilerlass des BAföGs – FAIL

Eieiei, das hat sich ja gelohnt… Beim Bachelor hat’s also nicht gereicht. Aaaaaber beim Master war ich der (erst-)beste Absolvent im Jahrgang. Da gab’s sogar ne Urkunde und Händeschütteln und alles. Aber das wäre ja zu einfach, sagt § 18b Abs. 2 BAföG: „Abschlussprüfung bis zum 31. Dezember 2012 bestanden“. Mööööp. FAIL.

Vorzeitiges Abschließen ist die zweite Möglichkeit, was zu sparen. Aber leider heißt das „vorzeitige“ Abschließen entweder zwei oder vier Monate (mit jeweils unterschiedlicher Ermäßigung) vor Ende des Prüfungszeitraums der jeweiligen Hochschule fertig geworden zu sein. Und da wird vom BAföG-Amt tatsächlich in den Prüfungsämtern der Hochschulen nachgefragt. Bäh.

Bleibt „nur“ noch die immer noch passable Ersparnis aus der vorzeitigen Rückzahlung. Also: Konto plündern und erledigt. Der Gesamt-Deal „BAföG“ bleibt natürlich trotzdem unschlagbar.
Danke, Deutschland!

„Heute löten wir uns einen!“ oder „Wie man eine E-Gitarre (nicht) repariert“

Die Klinkenbuchse an meiner E-Gitarre war schon eine ganze Weile locker. Aber nach einem Versuch, das Ganze mit ein paar Zangendrehungen wieder zu fixieren, sind nun offenbar irgendwelche Kabel locker oder abgerissen.

Im Musikladen hieß es dann beim brummenden Anspielen einiger Amps, man müsse da mal die „Masse“ wieder anlöten. – Oha. Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. (Dunkle Wolken ziehen auf.) – Weit weg von Zuhause, wo es immer jemanden gab, der wusste, wie man mit Kabeln und Strom umgehen muss, um nicht gegrillt in der Ecke zu liegen. Beim Bund hieß es schließlich auch immer Strom mache klein, schwarz und hässlich.

Schauen wir erstmal, ob wir das vielleicht auch so hinkriegen. Von Vorne sieht’s noch ganz gut aus:

Und hinten? – Ah, Schrauben! Schrauben sind der Hinweis für Verbraucher: Hier kannst du mal reinschauen und weißt danach ganz genau, warum du das Teil bei uns eingekauft und nicht selbst gebaut hast. – Nämlich weil du keine Ahnung hast! Und jetzt schraub das Ding einfach wieder zu und wir reden nicht weiter darüber.

Nunja… äääähhh… Wie war das noch gleich mit dem Schwein und dem Uhrwerk? Also: Unten Links ist die Buchse, in die das Gitarrenkabel von der anderen Seite reingesteckt wird. Da sieht man dann auch schon den „abben Draht“ (blau). Und ein weiteres Kabel fehlt dort auch, um da so alles stromkreislaufmäßig korrekt zu gestalten. Von nahem sieht man auch zwei Lötpunkte an dieser Buchse, an denen die Kabel vorher festgemacht gewesen sein mussten. Dann sind da noch diese vier hellen Metalldinger, die das Gegenstück zu den Drehknöpfen für Lautstärke und „Tone“ auf der Vorderseite sind. Oben rechts ist der Drei-Wege-Kippschalter, von dem das blaue Kabel kommt. Keine Ahnung, wie das funktioniert und warum das Ganze so ist wie es ist. Es muss jetzt aber irgendwie repariert werden!

Was macht die Generation Y in so einem Fall? – Googlen! Wikipedia-Artikel und Fotos haben mich erst nicht so recht weiter gebracht. So tief wollte ich hier eigentlich nicht ins Thema einsteigen. Es hat dann noch etwas gedauert, bis ich direkt nach dem Modell gesucht und ein passendes Diagramm gefunden habe:

Quelle: http://s429.photobucket.com/user/Dandaman4716/media/2h_2v_2t_3w_2pp.jpg.html

Yeah, Baby! Sieht gut aus! Okay, jetzt weiß ich wenigstens, wo welches Kabel hin muss und dass auch definitiv eins fehlt. Es scheint beim Aufmachen irgendwie verloren gegangen zu sein. Wahrscheinlich war das dieses ominöse „Masse“-Kabel, von dem der Typ im Musikladen sprach.

Nach einem kurzen Gedankenspiel, ob und wie man das Problem mit Klebeband lösen könnte, dämmerte es mir: Es muss gelötet werden!

Was braucht man eigentlich zum Löten? – Eine kurze Recherche und Erinnerungen an Papas Garage und Arbeitszimmer ergeben: Zumindest mal Lötkolben, Lötzinn und „Litze“ (= ummantelter Draht).

Ich war mir schon darüber im Klaren, dass man diese Utensilien wahrscheinlich schnell und unkompliziert im Baumarkt kriegt, hab dann aber aus Gewohnheit und Faulheit doch zwischendurch schnell online bestellt und das auch schon bereut. – Drei unterschiedliche Lieferanten, die alle natürlich noch nie was von Express-Lieferungen gehört haben. Ein Baumarktbesuch hätte hier deutlich schneller zum Erfolg geführt und wär volkswirtschaftlich und ökologisch sicherlich auch effizienter gewesen. Nunja. Lehrgeld. Auf ein dekadentes Lötzinnabsauggerät habe ich aber erstmal verzichtet.

Puh, also los. Der Lötkolben kann 200 bis 450 Grad. Bei 375 klappt es ganz gut. Das Zinn schmilzt und mit einer Zange krieg ich auch den Draht aus dem Kabel raus. Leider ist das Ding seeeehr dünn:

Da ist also ein blauer Mantel, die spinnenartigen Drähte sind wohl als Abschirmung (/ Masse?) gedacht. Dann kommt noch ein weißer Mantel mit dem Draht, den ich eigentlich für die Signalübertragung bauche.

An dem Ende ist aber auch noch verdammt viel Zinn dran. Mal heiß machen… Mh,.. ja, so geht’s. Ok. Gut. Weiter so. Und… Scheiße! Jetzt ist da so ein flüssiger Zinntropfen runtergefallen. Ok. Kurz pusten und das getrocknete Teil wieder raus da. Puh! Geschafft.

An der Anschlussstelle an der Buchse ist auch noch ziemlich viel Zinn. Das ist doch bestimmt nicht gut. Mal heiß machen und gucken, ob’s irgendwie weggeht. – Tut’s nich. Grrrrr. Jetzt bräuchte man irgendwas wie ein… ein Ding zum… ein Ding, mit dem man Lötzinn irgendwie… absaugen könnte. Hab ich jetzt aber grad nicht da. Also einfach „abschütteln“, wie die Jungs von Cubeaudio es nennen. (Danke auch für den doppeldeutigen Titel!)

Und dann: Was lange währt, wird endlich… naja… hinnehmbar:

(Man beachte das durch die zahlreichen fehlgeschlagenen Versuche stark verkürzte blaue Kabel.)

Zugeschraubt. Fertig. Irgendwann wackelt’s bestimmt wieder irgendwo auseinander, aber bis jetzt geht alles problemlos. Die rechte (graue) Hälfte meiner neuen Super-Litze hat einen vielfachen Aderquerschnitt, was aber durch die geringen Spannungen/Stromstärken hier wohl nicht so problematisch ist.

Alles funzt. Welt gerettet. I have soldered! Der Goldene Lötkolben 2015 geht an mich!

Keep on rockin‘ the free world!

Konfessionen eines Tee-Trinkers

Vor einiger Zeit hat ein Freund sein Unverständnis über die Tatsache geäußert, wie irgendjemand ohne Kaffee produktiv arbeiten könnte. Ich habe zu Jugendzeiten (klingt ganz schön lange her, wenn man es so schreibt) mal eine schlechte Erfahrung mit einem Kaffee-artigen Heißgetränk gemacht. – Es hat nicht geschmeckt, der soziale Druck war aber hoch genug, dass ich mir eine halbe Tasse davon reingeholfen habe. Im Studium habe ich dann hauptsächlich von Cola in den verschiedensten Sorten gelebt. Da gab es aber auch keinen zwingenden Schlaf-Wach-Rhythmus und Kalorienbilanz und Blutzuckerwerte waren sicherlich alles andere als optimal. Heute, im Arbeitsleben (oder so) angekommen, bin ich komplett auf Tee umgestiegen.

„Du trinkst immer noch keinen Kaffee, oder?“, hat mich meine Mama letztens gefragt. Nein, ich trinke Tee. Und bewege mich damit in der Minderheit (s. Abbildung 1) und gleichzeitig in der gesellschaftlichen Kinderecke. – Kaum ein Meeting, bei dem jemand einen heißen Tee anbieten könnte.

Abbildung 1: Tee- und Kaffeekonsum in verschiedenen Ländern (via amerinz)

Mit diesem Vorurteil kann ich heute nun hoffentlich aufräumen: Ich gieße am Tag ungefähr zwei Ein-Liter-Kannen Tee auf. Grünen Tee. Laut Tabelle landen dabei aus 400 mg Koffein aus der Trockenmasse mal einem Verringerungsfaktor von 0,85 insgesamt ca. 340 mg im Tee. Diese Menge entspricht einem Koffeinäquivalent von fünf bis sechs Tassen Kaffee á 125 ml. #boom #koffeinjunkie

Schön dabei: Ich habe sogar noch deutlich mehr Flüssigkeit zu mir genommen als der Kaffeetrinker. (Auch wenn das nicht empfohlen wird.) Zucker ist nicht notwendig und die Abhängigkeit ist offenbar genauso stark. – Toll!

Herausgefunden habe ich das, als ich über die Feiertage bei meinen (Schwieger-)Eltern zu Besuch war und dort hauptsächlich „koffeinfreier“ Tee (Früchte, Kräuter, etc.) zu haben war, den ich auch gerne trinke, mich dann aber regelmäßig über meine eigene geistige und körperliche Trägheit wunderte.

Zum Abschluss ein Tipp für Kaffeetrinker, die Gästen Tee servieren wollen oder müssen: Der törichte Versuch, heißen Tee mit kaltem Tee abzukühlen zeigt nur, dass ihr das Getränk „kindgerecht“ machen wollt. „Wer schon keinen Kaffee trinkt“, so wird man es euch andichten, „der soll sich wenigstens nicht die Fresse am Tee verbrennen.“ Aber wir Teetrinker haben auch das Recht, uns die Fresse zu verbrennen. – Egal ob Grüntee oder nicht. Außerdem fragt bei Starbucks ja auch keiner: „Noch etwas kalten Kaffee dazu?“

Ich plädiere hier für mehr Toleranz gegenüber anderen Trinkkulturen. Kurz- oder langfristige Wirkung. Hektischer Genuss zwischendurch oder stundenlanges Auskosten. Möge es auch noch so viele Unterschiede geben: Alle sollten die gegenseitigen Vorlieben akzeptieren und sich darauf einstellen. Alle haben das Recht, ihr Lieblingsgetränk vorurteilsfrei und öffentlich zu genießen. Außer natürlich Chai Latte-Trinker. Die gehören in der Hölle verbrannt.